16.07.2016 Laugavegur Ultra Run

03. Sep
2016

... oder wie Jochen gegen Thor kämpft und natürlich gewinnt!

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10 Jahre ist es in diesem Jahr her, seit Barbara und ich zum ersten Mal auf Island waren. Damals waren wir mit Fahrrad und Zelt unterwegs und habe auf unserer Tour durch das Hochland auch in Landmannalaugar Station gemacht. Landmannalaugar ist eine kleine Hütte mit Zeltplatz neben einigen warmen Quellen im Hochland und Ausgangspunkt für eine der schönsten Wanderungen auf Island. Ansonsten ist die Region nur mit geländegängigen Fahrzeugen zu erreichen. So haben wir nicht schlecht gestaunt, als morgens beim Aufstehen mehrere Busse voll mit Läufern dort standen - zufällig waren wir in den Start vom Laugavegur Ultra Run geraten, der in Landmannalaugar startet und 55 km später in Thorsmork endet.

So war die Idee zur eigenen Teilnahme an dem Lauf geboren, aber bis zu diesem Jahr hat es zeitlich nie gepasst (immerhin haben wir vor 2 Jahren die atemberaubende Landschaft der Strecke im Spätsommer als mehrtägige Wanderung bereits erlebt). Am letzten Weihnachten haben wir dann den Beschluss für einen Islandurlaub im Juli gefasst und endlich passte es mit dem Termin vom Lauf am 16. Juli zusammen. Bei 55 km mit 1500 Höhenmetern Aufstieg und 1900 Metern Abstieg war es auch gleichzeitig der Startschuss für das Training, das spätestens ab April viel Freizeit für die langen Läufe in Anspruch genommen hat. Das persönliche Ziel war es, die Strecke vielleicht nicht in neuer Bestzeit (die liegt bei 3:59) abzulaufen, sondern möglichst ohne größere Probleme durchzuhalten. Zusätzlich kam dann noch das Ausprobieren der ganzen ungewohnten Ausrüstung dazu: Crosslaufschuhe mit Gamaschen (es müssen mehrerer Flüsse durchquert werden und die kleine Lavasteinchen sorgen sonst für eine belebende Fußreflexzonenmassage), leichte Jacken, Handschuhe, Mütze, Trinksystem und Essen - alles verstaut in einer Laufweste. Beim Essen hat sich bei mir übrigens "Gröt", ein Frucht- Getreide-Smoothie von Hipp, gegen alle professionellen Produkte durchgesetzt. Der perfekte Tipp unserer Nachbarin, die zufälligerweise

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bei Hipp arbeitet. Anfang Juli ist es nach etlichen Trainingskilometern endlich soweit und die ganze Familie fliegt nach Island. Bis zum Lauf sind es noch etwas über eine Woche, in der wir unserem Sohn die Insel zeigen. Am Tag vordem Lauf fahren wir nach Reykjavik und ich kann die Startunterlagen abholen. Wie auch der gesamte Lauf ist bei den Isländern alles geradezu perfekt organisiert. Dazu gehört in den Ta g e n v o r d e m L a u f e i n regelmäßiger Wetterbericht für den Samstag. Und nachdem es am Freitag noch wie aus Eimern geschüttet hat, ist die Prognose für den Lauf ungewöhnlich gut: 8-13°C mit Sonne und höchstens e i n  p a a r  S c h a u e r n  a m Nachmittag! Nach einer letzten Portion Nudeln geht es früh ins Bett. Der Lauf beginnt mit einer Busfahrt ab Reykjavik um 4:30 für die meisten der 550 Teilnehmer. Unterwegs gibt es Frühstück in einem Gästehaus am Rand vom Hochland und anschließend geht es nur noch über Schotterwege bis zum Start. Ich selber bin im Bus zwischen ein Isländisches Familienteam geraten: Sohn, Vater und Schwiegervater treten gemeinsam zu dem Lauf an.

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Das sollte ich mal zu Hause vorschlagen... Die Ankunft am Start in Landmannalaugar mit den Bussen ist um 8:30, der Start erfolgte ab 9:00 in 4 Gruppen mit 5 Minuten Abstand. Da war selbst die Benutzung der Toiletten wohl organisiert und eingeteilt nach den Startblöcken. Und es gibt eine echte Überraschung: Zufällig treffe ich eine Arbeitskollegin aus Pfaffenhofen, die mit ihrem Mann ebenfalls in Island Urlaub macht und mich nun natürlich beim Start als persönliche Fans anfeuern. Wer schon einmal auf Island war, kann sich das Gelände für den Lauf wahrscheinlichgut vorstellen. Allen anderen hilft vielleicht der Vergleich mit einem Familientreffen von Trollen, bei dem die Kinder all ihr Spielzeug verteilen. Überall liegen Berge und Felsen in allen Größen herum - ideales Gelände zum Laufen. Zusätzlich müssen unterwegs einige Flüsse durchquert werden, was für nasse Füße sorgt. An diesem Morgen erfolgt noch extra der warnende Hinweis, dass einige Flüsse nach dem starken Regen am Vortag leichtes Hochwasser führen und die Durchquerung etwas schwieriger wird. An den schlimmsten Stellen stehen aber Helfer mit Seilen bereit und die Erwähnung der Badehose stufe ich noch als kleinen Witz ein. Ich starte um 9:05 in der zweiten von vier Gruppen. Keine Ahnung, warum die mich für so schnell halten, aber die Stimmung ist gut und es wird viel gescherzt. Der Weg ist schmal und es geht beständig bergauf, so dass alle in einer Reihe hintereinander langsam laufen. Auf den ersten 8 km werden so schon 500 Höhenmeter gewonnen. Am Ende bestätigt auch meine Uhr die angekündigten 1500 m Aufstieg und 1900 m Abstieg. Insbesondere an den Anstiegen wechseln die meisten Läufer in schnelles Gehen und glücklicherweise schließe ich mich da gleich an. Die gesparte Kraft ist später bitter nötig. Auf den ersten Kilometern´geht es auch durch einige Geothermalgebiete. der Boden ist warm und es dampft an vielen Stellen neben der Strecke. An den 3 Hütten auf der Strecke, die die Tagesetappen der normalen Wanderung darstellen, sind jeweils Verpflegungsstationen eingerichtet und es gibt Wasser, Powerrade, Cola, Bananen und Schokolade. Und an jedem St o p p  wi r d  k o n t r o l l i e r t , we r s c h o n vorbeigekommen ist, damit niemand verloren geht. Gerade im ersten Drittel der Strecke gibt es unterwegs noch zahlreiche Schneefelder, die sich bis in den Isländischen Sommer gerettet haben. In seiner aufgeweichten Form ist der Schnee kein schneller Untergrund und nach ein paar Metern sind die Füße zum ersten Mal nass. Im Stillen ärgere ich mich darüber, aber wenn man die Hochflächen mit dem Schnee endlich hinter sich gelassen hat, beginnen die Furten durch die Flüsse. Beim ersten Bach quietscht man noch auf, schließlich gewöhnt man sich an die dauerhaft nassen und kalten Socken. An der größten Furt bei km 26 ist in diesem Jahr extrem viel Wasser, da es die letzten beiden Tage ordentlich geregnet hat. Bis zur Hüfte reicht mir das Wasser und erreicht recht kälte-empfindliche Regionen. Wie war das mi t der BadehoseLaugavegur-11

Anschließend muss ich meine Schuhe und Socken von dem Lavasand befreien, bevor es wieder auf die Strecke geht. An dieser Stelle kann man sich auch eine Tasche mit Wechselsachen anliefern lassen. Darauf habe ich aber verzichtet und das war auch gut so, da bereits 3 km weiter die nächste Furt ansteht unLaugavegur-5Laugavegur-10d alle wieder nasse Füße bekommen. Bis jetzt ist es bei mir prima gelaufen und das Tempo hat sich eingespielt. Ich treffe immer wieder die gleichen Mitstreiter, je nach dem, wer gerade schneller ist. Bei km 34 begegnet mir dann aber Thor, ein mieser Isländer mit großem Hammer und der haut ohne Vorwarnung zu. Jetzt ist es gut, dass ich die Strecke von der Wanderung von vor 2 Jahren kenne. Ich rette mich die letzten zwei km bis zur nächsten Hütte und falle dort über die Laugavegur-6Schokolade her. Mit dicken Hamsterbacken und noch einer kompletten Tafel in den Händen geht es auf das letzte Teilstück. In meiner

 

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Erinnerung war das ein ebenes Stück, aber jetzt sind hier auf einmal überall

Berge und die schwarze Lavaasche ergibt zusammen mit der Nässe vom Vortrag nicht den besten Untergrund zum laufen. Aber meinem Körper geht es erstaunlich gut und ich habe weder

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Probleme mit den Gelenken noch irgendwelche Blasen, obwohl die Socken bis zum Ziel nicht mehr trocken werden. Bei km 45 wartet Thor wieder auf uns und lächelt mich schon an. Da tippt mir aber eine Isländische Läuferin auf die Schulter und bietet mir ein PowerGum an. Keine Ahnung, was darin ist. Es schmeckt grauenhaft, aber ich laufe nun bis zum Ende durch und Thor zieht sich beleidigt zurück. Bei km 50 geht es über einen letzten steilen Hügel (den ich seit der Wanderung komplett vergessen habe) zur letzten großen Furt. Zusammen mit einer Isländerin und einer Amerikanerin bilden wir eine Schicksalsgemeinschaft und bringen uns gegenseitig bis ins Ziel. Auf dem Hügel mitten in der Wildnis sitzen zusätzlich noch ca. 30 Isländer undLaugavegur-8

Laugavegur-12feuern uns mit dem Isländischen "Uh" ihrer Fußballmannschaft an. Gänsehaut pur! Im Ziel feuern einen noch viel mehr Isländer an und feiern jeden Läufer mit Namen. Das es jetzt in Strömen regnet, stört hier niemanden. Ich kann es kaum glauben, dass ich endlich im Ziel bin und für mich bleibt die Uhr bei 7:25 stehen. Weit entfernt vom Sieger mit 4:29, aber zufrieden im Mittelfeld. Andere Läufer kommen noch 2 Stunden später ins Ziel. Eingepackt in eine warme Decke gibt es die Medaille für das Durchhalten und jeder muss durch ein Zelt vom Roten Kreuz. Zu meiner Überraschung bekomme ich dort eine Dose Bier in die Hand

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gedrückt. Wieder bin ich beeindruckt: Die Isländer verstehen was von erster Hilfe! Außerdem ist so ein Bier eine kleine Kostbarkeit auf der Insel. Anschließend geht es unter die Dusche und es gibt ein mächtiges Essen bestehend aus frischem Lammfleisch, bevor es per Bus nach Reykjavik zurück geht. Im Bus steigt die Stimmung noch weiter, als ein Schottischer Läufer eine Flasche Whisky herumgehen lässt. In Reykjavik erwarten mich Barbara und Kjell mit leckerem Eis und wir schließen den Tag mit einem warmen Fußbad in einer warmen Quelle am steinigen Strand unter der Mitternachtssonne ab. Fazit: Selten hatte ich so viel Respekt vor einem Lauf, aber letztendlich habe ich fast jeden Meter genossen. Wenn also jemand eine nette Alternative zum klassischen Stadtmarathon in faszinierender Landschaft sucht, dann kann ich den Laugavegur Ultra Run nur empfehlen. (Bericht und Fotos v. Jochen Kaiser)