Reisebericht Kilimajaro Teil 6 Vom Shira 2 Camp zum Barranco Camp / Tagesberichterstatterin Uschi

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Wie befürchtet war die Nacht schrecklich. Ich habe kaum geschlafen, da ich immer wieder das Gefühl hatte in der dünnen Luft und in den kleinen Zelt nicht genug Sauerstoff zum atmen zu haben. Ich habe deshalb zwischendurch das Zelt immer mal wieder verlassen, aber schnell gefroren draußen, denn es war arschkalt unter einem wiederum einmaligen Sternenhimmel.

Irgendwann gegen 3-4 Uhr früh hat mich aber dann doch der Schlaf übermannt. Um 6 Uhr dann wie immer erste Stimmen und Reisverschlussgeräusche im Lager. Ich stehe auf, froh aus dem Zelt rauszukommen und wieder an der Luft zu sein und warte auf die aufgehende Sonne, die auch bald ihre ersten warmen Strahlen schickt.

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Morgentee im Barranco Camp

Langsam kommen auch alle anderen aus den Zelten, außer Petra hat wohl niemand recht gut geschlafen. Bei Eva habe ich das ja selbst bemerken können, aber auch fast alle anderen berichten von ähnlichen Schlafproblemen.

Uschi sagt dazu:

Mann war das kalt, 3 Grad im Zelt, ich hab ab 1 Uhr kein Auge mehr zugemacht.

Die Waiter bringen wieder die obligatorischen Waschschüsseln für die kleine Katzenwäsche für Hände und Gesicht, an Haarewaschen ist da natürlich nicht zu denken, wie Uschi meint.

Haare, welche Haare denn? Ach du meinst die struppigen, staubig verschmutzten Fäden, die bei allen Bergsteigern unter den Hüten und Mützen hervorlugen. Ab jetzt bleiben die Kopfbedeckungen auch nachts auf. Ihr könnt euch denken warum.

6SVG Fruestueck BarrancoCamp
Frühstück im Barranco Camp

Nach der Wäsche frühstücken wir und füllen unser Trinkflaschen auf. Dazu bekommen wir täglich abgekochtes Wasser von unseren Waitern gebracht. 4-5 Liter sollen wir tagsüber trinken um die Höhe besser zu vertragen.

Das ganze Wasser, das wir brauchen, für die Gruppe immerhin mehr als 100 Liter pro Tag, muss von extra Trägern, Läufer genannt, jeden Tag mehrmals von der nächsten Wasserstelle geholt werden, teilweise mehrere Kilometer weit.

Unser Tagesziel ist heute das ‚Barranco Camp’ auf 3.900 Metern Höhe, es liegt also nur um 100 Meter höher als das letzte Lager, aber wir müssen auf dem Weg dorthin über den ‚Lava Tower’, haben also wieder einiges vor uns. Sicher wieder keine leichte Aufgabe, zumal es einigen von uns nicht gut geht, da Übelkeit und Kopfschmerzen plagen.

Der 1. Abschnitt des Tages verläuft schnurstracks, pole, pole, den Hügel hoch in Richtung Kobi. Nach 1 ½ Stunden treffen wir auf die Machame - Route. Der Treck ist eingebettet in eine Wüste aus schwarzem Lava - Sand und Millionen schwerer Felsbrocken, ist aber gut passierbar. Übermütige Bergtouristen haben überall Steinmännchen gebaut.

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Vom Shira 2 Camp zum Barranco Camp

Kurz nach der Verbindung mit der Machame - Route könnten wir einen Abzweig nehmen um direkt zum Barranco - Camp zu kommen und dabei den Lava Tower zu umgehen. Als wir unseren Guide Franki darauf ansprechen, ob das nicht wenigstens für die von uns, denen es recht schlecht geht, einen Möglichkeit wäre, sagt der, dass wir alle über den Tower gehen sollen um uns besser an die Höhe zu gewöhnen. Eine Widerrede lässt er nicht gelten. So müssen also auch die von uns, die sich in der Zwischenzeit schon übergeben haben und teilweise auch schon zurückgeblieben sind, über den Berg. Beim letzten steilen Teil, den Lava Tower hoch geht auch mir dann gewaltig die Puste aus. Ich schnappe nur noch nach Luft und versuche mit allen Mitteln Anschluss zu halten. An Sprechen überhaupt nicht mehr zu denken. Aber Eva Crone plappert was das Zeug hält, es ist mir unbegreiflich wo sie die Luft herbekommt. Anmerkung der Redaktion. Mir wurde gesagt, dass Frauen beim Sprechen atmen, so ist mir diese Leistung natürlich verständlich. Kurz vor dem Gipfel verstummt dann aber auch Eva, wahrscheinlich aber nur weil alles gesagt war.

Das Plateau auf dem Tower erreichen wir dann alle, ziemlich erschöpft gegen Mittag, um hier unser Lunch zu uns zu nehmen. Manche ziehen es aber auch vor, statt zu essen, etwas von sich zu geben. Der Wind pfeift hier oben auf 4.600 Mtr. Höhe gewaltig und wir kauern uns deshalb alle in den Schutz einer Felswand, auch wenn es da ziemlich übel nach Urin riecht.

 Riesenkreuzkräuter
Horst neben der Riesenkreuzkräuter-Pflanze

Nach der willkommenen Rast und Stärkung geht es dann über den ‚Kibo Circuit’ abwechselnd bergab, bergauf ins ‚Barranca Valley’. Zu unserer Freude immerhin fast 700 Höhenmeter tiefer gelegen. Die triste Steinwüste wird langsam wieder zum Heide- und Moorland. Großartige Formationen der hier typischen Riesenkreuzkräuter, die bis zu 10 Meter hoch werden können, stehen wie römische Säulen in der Graslandschaft und laden zu einem vergnüglichen Fotoshoot ein.

Der Abstieg fällt den meisten von uns leicht, da doch mit jedem Schritt die Luft wieder dicker wird. Nach gut 7 Stunden Marschzeit erreichen wir das Camp auf 3900 Metern Höhe. Der ‚Kibo’ ist jetzt nur noch 4 Kilometer Luftlinie entfernt. Einer aus unserem Team hat kurz vor Erreichen des Lagers stark Nasenbluten bekommen, im Lager haben wir dann sogar ärztliche Hilfe von 2 jungen Norwegern aus einer anderen Gruppe erhalten. Schließlich ist die Blutung nur mit Hilfe von Tampons zu stillen. Wir machen uns Sorgen um den morgigen Tag und ob es wirklich für alle weitergehen kann. Darüber, ob man die Kopfschmerzen mit Tabletten bekämpfen soll oder nicht, entsteht dabei eine rege Diskussion. Zum Schluss einigen wir uns darauf, dass das jeder für sich selbst entscheiden muss. Zu unseren Sorgen wegen des nächsten Tages beruhigt uns unser Guide Franki und sagt nur,

Don’t worry, tomorrow is an other day.

Das Barranco Camp ist ein sehr großes, ordentliches Camp, hier kommen schließlich 3 Routen auf den Berg zusammen. Direkt gegenüber ragt die ‚Great Barranco Wall’ auf, auch ‚Breakfast Wand’ genannt, weil sie immer gleich nach dem Frühstück zu erklimmen ist. Die Wand ist 280 Meter hoch, vom Lager aus schaut sie fast unüberwindbar aus und einige von uns haben schon etwas Bammel vor dem morgigen Aufstieg.

Am späten Nachmittag haben wir eine hervorragende Aussicht auf den südwestlichen Kibo mit der ‚Western Beach Wall’, dem ’Window’ und den Südgletschern.

6SVG BarrancoCamp KiboGletscher
Das Barranco Camp mit den Kibo Gletschern im Hintergrund

Da wir heute schon aus wesentlich größerer Höhe kommen fühlen wir uns nach einiger Zeit im Camp alle wieder ganz gut. Das Nasenbluten konnte gestillt werden und nach dem kräftigen Abendessen haben wir uns wieder gut erholt. Zu unserer allgemeinen Überraschung gibt es sogar’ Kirtanudeln’ Draußen nieselt es etwas, aber es ist erstaunlich mild, viel wärmer als letzte Nacht, obwohl wir sogar etwas höher sind. Aber da das Barranco Valley an einem freien, nach Süden offenen Abhang liegt, kommt warme Luft aus dem Tal heraufgeweht.

Die Zeichen stehen also gut für eine erholsame Nachtruhe. Wir hoffen alle, heute endlich mal schlafen zu können um fit zu sein für die steile Wand gleich nach dem Frühstück.

Als wir in die Zelte gehen funkeln über uns wieder die Sterne, unter uns sieht man im Tal die vielen Lichter von Moshi.

Gute Nacht! John Boy, Jim Bob, Marie Ellen, Elisabeth

Fortsetzung folgt

04. März 2012